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Interview: Führungsnachfolge im Handwerk

Prof. Dr. Ralf Brüning, Experte für Wirtschaft, leitet an der FHM unter anderem den Studiengang B.A. Handwerksmanagement. Im Interview gibt er Einblicke in aktuelle Herausforderungen und Lösungen zur Unternehmensnachfolge im Handwerk.

Frage 1: In vielen Handwerksbetrieben ist der Chef der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Betriebs und trägt die Verantwortung für (fast) alles. Welche Konzepte gibt es, um Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen?

In der Tat ist bei – insbesondere familiengeführten – Handwerksbetrieben eine starke Zentralisation der Verantwortung auf das „Oberhaupt“ zu verzeichnen. Je nach Größe der Unternehmung (ab ca. 10 Mitarbeiter) werden jedoch zunehmend Dezentralisierungstendenzen sichtbar und somit eine Delegation von Verantwortung auf andere Mitarbeiter nötig. Die möglichen Konzepte können vielfältig sein und müssen letztlich zu dem individuellen Betrieb passen, wie bspw. die Nutzung von Vorarbeiterschulungen, die von den Handwerkskammern angeboten werden, um die Mitarbeiter auf die Übernahme von Verantwortung im Betrieb vorzubereiten. Darüber hinaus kann es auch sinnvoll sein, geeignete Mitarbeiter mit zunächst kleineren Projekten, die mit konkreten und messbaren Zielsetzungen ausgestaltet sind, zu betrauen, um sie stetig in Führungsverantwortungen zu bringen. Nicht zuletzt müssen Anreize für beide Seiten – Chef und Mitarbeiter – vorhanden sein bzw. geschaffen werden, damit die Bereitschaft für Delegation auf der einen und Übernahme von Verantwortung auf der anderen Seite vorhanden ist. Die große Herausforderung besteht aber darin, die geeigneten Mitarbeiter für verantwortliche Aufgaben zu identifizieren, denn: nicht jeder ist geeignet und vor allem gibt es auch Mitarbeiter, die keine Verantwortung übernehmen wollen!

 

Frage 2: Wie gelingt es Unternehmern mehr zu delegieren und sich gerade im Handwerk aus dem operativen Geschäft mehr zurückzuziehen, welche unterstützenden Maßnahmen von außen empfehlen Sie?

Der Rückzug des Unternehmers aus dem operativen Geschäft soll ja in erster Linie dazu führen, dass er sich auf seinen Kernaufgaben konzentrieren kann, also den Betrieb strategisch und nachhaltig nach vorne zu bringen. Eine generelle Zeitersparnis kann hier schon in der Einführung von Projektmanagement Software liegen, um Strukturen und Prozesse klar zu definieren und zu kommunizieren, sodass Aufgaben effektiver und effizienter verteilt werden können. Außerdem können externe Coachings, Seminare etc. hierbei unterstützen, wobei wir die Erfahrung gemacht haben, dass diese von älteren Chefs nicht so häufig nachgefragt werden, die jüngeren Generationen diesen aber aufgeschlossener gegenüberstehen und auch nutzen. Niedrigschwellig helfen aber auch Netzwerke, der Erfahrungsaustausch in Handwerker-Stammtischen oder aber die Teilnahme an Verbandsworkshops.

 

Frage 3: Wie sieht eine Unternehmenskultur aus, die förderlich für mehr Mitverantwortung ist? Inwiefern können Teambuildingmaßnahmen helfen und wie sollten diese genau aussehen? 

Zunächst muss festgestellt werden, dass jeder Betrieb eine – wie auch immer gelebte – Unternehmenskultur hat, diese jedoch häufig nicht geplant, formuliert und vor allem nicht zielgerichtet funktioniert. Um eine Kultur zu schaffen, die Mitverantwortung im Betrieb fördert, müssen eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt werden: das beginnt schon bei einer offenen Kommunikation mit regelmäßigen Meetings, in denen alle gehört werden und zu Wort kommen können. Ebenso sollte es eine Wertschätzungskultur geben, d.h. Mitarbeitern Lob und Anerkennung zuteilwerden lassen, u.U. sogar mit kleinen Incentives. Eine gelebte Fehlerkultur, in der der Fehler nicht bestraft, sondern als Chance für Verbesserungen und Innovationsfreude angesehen werden, ist hierbei ebenfalls hilfreich. Und nicht zuletzt eben Teambuildingmaßnahmen, wie Betriebsausflüge, Teamtage, gemeinsame sportliche Aktionen oder ähnliches, in Summe Aktivitäten, die von den Mitarbeitern gerne genutzt werde und auf eine gesteigerte „Mitverantwortungsmentalität“ ausgerichtet ist.


Frage 4: Es wird ja immer wieder angeführt, dass Menschen aus der Generation Y (Millennials) ungern Verantwortung übernähmen. Welche Forschungsergebnisse oder Erfahrungen gibt es hierzu?

Diese Behauptung stimmt so nicht bzw. wird oft missverständlich verwendet: Studien, wie z.B. Deloitte Millennial Survey zeigen, dass die Generation Y durchaus Verantwortung übernehmen will, allerdings dabei klare Werte, Flexibilität und Sinn in ihrer Arbeit suchen. Millennials bevorzugen strukturierte Aufgaben mit klarem Feedback, um Verantwortung schrittweise zu übernehmen. Zudem arbeitet diese Generation gerne im Team, was Führungsrollen erfordert, die auf Kooperation statt Hierarchie basieren. Grundsätzlich sind diese Aussagen – ob positiv oder negativ - über „eine Generation“ jedoch nicht immer so pauschal gültig, sondern es geht hier in erster Linie um die persönlichkeits- und situationsspezifische Betrachtung des einzelnen Mitarbeiters. 

 

Frage 5: Was brauchen junge Menschen generell, damit Führungsverantwortung für sie attraktiv wird?

Bei diesem Punkt wird oft behauptet, dass es in erster Linie um finanzielle Anreize geht, was aber so nicht stimmt: Eine angemessene monetäre Vergütung ist sicherlich die Basis, jedoch sind Anerkennung und Wertschätzung, die sich zum Beispiel in Lob, der offiziellen Ernennung zum Vorabeiter, der zur Verfügungstellung eines Firmenwagens oder anderen Incentives widerspiegeln, oftmals wichtigere Anreize – insbesondere dann, wenn sie individuell auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters zugeschnitten sind. Darüber hinaus helfen Mentorenprogramme, also die Begleitung der jungen Menschen durch erfahrende Kollegen, dass man bei der Übernahme von Führungsverantwortung unterstützt wird. Insgesamt wird eine Attraktivitätssteigerung dadurch ausgelöst, dass die jungen Menschen gefördert werden und eine individuelle Weiterentwicklung in ihrem Beruf erhalten.

 

Frage 6: Welche Skills sind für Unternehmensgründer oder Übernehmende generell wichtig im Hinblick auf die Unternehmensführung und wie können diese erworben werden?

Im Wesentlichen sind es die Skills, die wir im Rahmen unseres Trialen Studiums Handwerksmanagement an der Fachhochschule des Mittelstands vermitteln: Die Befähigung einen Handwerksbetrieb zu gründen oder einen Familienbetrieb zu übernehmen, erfordert umfangreiches Management-Know-How! Neben den generellen sowie fachspezifischen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, müssen die zukünftigen Unternehmensführer insbesondere offen, klar und empathisch kommunizieren können. Zudem gilt es, Führungsqualitäten zu erlernen und anzuwenden, d.h. Teams zu motivieren, Konflikte zu managen und das allerwichtigste: Entscheidungen zu treffen! Ergänzend können auch Seminare bei den Handwerkskammern oder Netzwerke, wie Kreishandwerkerschaften unterstützen.

 

Frage 7: Wie unterscheidet sich die Führungskultur oder der Führungsstil junger Chefs zu denen, die jetzt in Rente gehen?

Auch hier gilt eine Pauschalierung „Alt vs. Jung“ als schwierig, wenngleich sich natürlich Tendenzen beschreiben lassen: Während die ältere Generation oftmals stark hierarchisch führt und den Fokus auf handwerkliche Perfektion und direkte Kontrolle legt, sehen wir bei der jüngeren Generation – und dies in der Tat tagtäglich bei unseren Studierenden – dass Führung agiler und teamorientierter gelebt wird. Die „neuen Chefs“ sind offener für Innovationen, digitale Tools und auch neue Arbeitszeitmodelle. Konzepte, wie Work-Life-Balance für Mitarbeiter, werden verstärkt umgesetzt, nicht zuletzt, um Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen und somit Mitarbeiter an den Betrieb zu binden. Die Herausforderung ist letztlich in der Gestaltung des Übergangs zu sehen: Ein moderner Führungsstil sollte durch den schrittweisen Aufbau einer kooperativen Kultur eingeführt werden, ohne traditionelle Werte zu verlieren!

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