“My Science – Our Society” - Vortrag zum Thema “Neo-Narzissmus”
In der Reihe „My Science – Our Society“ geht es um den Zusammenhang der eigenen Wissenschaft und deren Nutzen für die Gesellschaft. In diesem Vortrag wurden einige Fragen aufgeworfen: Wird die Gesellschaft immer Ich-bezogener? Ist es die Schuld der Gen Z und deren Social Medias? Gibt es ein gesellschaftliches Problem durch den potenziellen Anstieg von Narzissmus? Solche und andere provokante Fragen beantwortete Prof. Dr. Lars Distelhorst in seinem Vortrag zum Thema "Neo-Narzissmus".
Unter dem Strich zähl‘ ich. Der moderne Narzissmus und seine Konsequenzen.
Unter dem Strich zähl‘ ich. Das war mehrere Jahre ein Werbespruch der Postbank. Mittlerweile steht er stellvertretend für den angeblichen gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Individualismus und Egoismus, der verantwortlich sein soll für Einsamkeit, Ellbogenmentaliät und emotionale Frustration. Oft wird diese Entwicklung unter dem Stichwort Narzissmus gebündelt und anschließend noch mit dem Finder auf die jungen Menschen der sogenannten „Gen-Z“ gezeigt, die schließlich als erste mit den sozialen Medien aufgewachsen sei und die Selbstbespiegelung zum Lebensprinzip erhoben habe. Doch mit dieser Diagnose gibt es ein Problem. Psychoanalytisch betrachtet ist jeder Mensch von Narzissmus durchdrungen und ohne ihn hätten wir weder einen Grund, mit der Welt, noch anderen Menschen in Kontakt zu treten. Ist der Narzissmus also wirklich das Problem als das er dargestellt wird oder liegt hinter ihm vielleicht etwas wesentlich Weitreichenderes verborgen, dessen Anblick wir angesichts unserer moralischen Klagen über die zunehmende Selbstverliebtheit übersehen?
In seinem Vortrag spricht Prof. Dr. Lars Distelhorst an, dass einer der Gründe für diese Entwicklung das sich ausbreitende Gefühl von Scham ist. Ein „normales“ Leben sei nicht mehr ausreichend und wird in einer Welt voller Stars und Beauty-Queens nicht mehr als gut genug befunden. Diese These begründete er durch eine Theorie, die auf den Überlegungen Freuds aufbaut, durch die er die Entstehung von Schuld in der Gesellschaft um 1900 zu erklären versucht. Freud behauptete, dass Schuldgefühle durch die Dissonanz zwischen Normen des Verbots und der Sehnsucht nach dem internal gewollten Zustand entstehen. Im 21. Jahrhundert gibt es jedoch nicht mehr viele strikte soziale Verbotsnormen, die das persönlich als erstrebenswert interpretierte Ausleben einschränken würden. Heutzutage besteht viel mehr eine Dissonanz zwischen der Idealvorstellung, wie das Leben auszusehen hat (Norm der Selbstverwirklichung/ Selbstanspruch) und dem Ist-Zustand des Lebens. Diese Dissonanz führe, anders als in Freuds Theorie nicht zu Schuld, sondern zu Scham. Außerdem regte Lars Distelhorst an, dass die Ich-Bezogenheit unter anderem aus der fehlender Sinnesschöpfung vieler Jugendlicher resultiert, wodurch sich der Blick von außen nach innen richtet. In dem mitreißenden Vortrag wies er ebenfalls auf die Möglichkeit hin, dass die fehlenden Chancen zu rebellieren oder soziale Normen zu brechen ebenfalls einen Einfluss auf die Sinneslosigkeit der Generation Z haben könnte. Die Annahme konnte der Redner durch Zahlen aus einer Studie der AXA belegen, welche zeigte, dass 38% der 18–24-Jährigen (und damit mehr als jede andere Altersgruppe) sich als psychisch erkrankt bezeichneten. Die Abfrage basierte auf der Selbsteinschätzung der Befragten.
Im Anschluss an den 45minütigen Vortrag entfaltete sich unter den zwei Dutzend Zuhörern an der FHM Berlin eine lebhafte Diskussion, in der die Teilnehmer bei Brezeln und Wein engagiert, und dabei immer wertschätzend ihre unterschiedlichen Positionen schilderten. Der Abend hätte noch lange weitergehen können, doch das Event wurde schließlich nach drei Stunden beendet.
Als Trost laden wir gerne zu den nächsten Veranstaltungen unserer Vortragsreihe ein, zu der Besucher jederzeit willkommen sind.
Die nächsten Termine:
12.06.2024. „Fintech“ - Prof. Dr. Klaus Zensen
17.10.2024 „Climate Change“ - Dr. Jessica Böhme
Über Anmeldungen freut sich das Team Berlin (& Max Klein)…
Max Walter Klein
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