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True Crime: Gruseln im Fokus der Forschung / Studentin der FHM aus Bamberg legt spannende Ergebnisse vor

True Crime hat in den letzten Jahren Magazine, Zeitschriften, Fernsehsender und Podcasts erobert. Begangene Verbrechen werden in diesem Genre neu aufgerollt, nacherzählt oder verfremdet. Gruseln zwischen Realität und Fiktion. Die Bamberger Psychologie-Studentin Mara Klüg hat jetzt ihre bemerkenswerte Bachelorarbeit an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) mit dem Titel „Faszination True Crime“ vorgelegt. Sie untersucht darin die Nutzungsmotive und Persönlichkeitseigenschaften von Rezipienten. Wir haben mit ihr über die Ergebnisse gesprochen.

FHM-Studentin Mara Klüg hat sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Phänomen von True Crime beschäftigt und spannende Ergebnise vorgelegt. Foto: Fachhochschule des Mittelstands

Liebe Frau Klüg, Sie haben Ihre Bachelorarbeit zum Thema True Crime geschrieben. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Mara Klüg: Da ich mich selbst schon seit einigen Jahren mit True-Crime-Fällen beschäftige und später auch gerne im Bereich Rechtspsychologie arbeiten möchte, stand für mich schon relativ früh fest, dass ich meine Bachelorarbeit zu diesem Thema schreiben werde. Bei meinen Recherchen stellte ich fest, dass es bisher kaum Studien gibt, die sich mit den Konsumenten von True Crime befassen. Daher entschied ich mich, dieses Thema für meine Thesis zu wählen.

Was haben Sie genau erforscht?

Klüg: Das Ziel meiner Arbeit war es, verschiedene Faktoren zu untersuchen, die als Erklärung für die Faszination herangezogen werden können, die das True-Crime-Genre auf dessen Konsumenten ausübt. Dabei habe ich mich vor allem auf die Nutzungsmotive und die Persönlichkeit der Konsumenten fokussiert. Außerdem habe ich untersucht, ob es einen Unterschied in der Nutzungshäufigkeit zwischen Männern und Frauen gibt.

Wie sind Sie vorgegangen?

Klüg: Nachdem ich mich mit Theorien und Studien zum Thema befasst hatte, erstellte ich eine Online-Befragung, um eigene Daten zu erheben. Die Umfrage umfasste sowohl verschiedene Fragen zum True-Crime-Konsum der Teilnehmenden als auch zwei standardisierte Persönlichkeitsfragebögen, die die Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaften Sensation Seeking, Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus erfassten. Um mögliche Auffälligkeiten im Persönlichkeitsprofil der Rezipienten zu finden, habe ich die Probanden im Rahmen der Datenauswertung basierend auf ihrer Nutzungshäufigkeit in die Gruppen „Nutzer“ und „Nicht-Nutzer“ eingeteilt. So konnte ich beide Gruppen miteinander vergleichen und auf Unterschiede hin untersuchen.

Welche Ergebnisse haben Sie überrascht und warum?

Klüg: Besonders überrascht hat mich, dass Nutzer höhere Neurotizismus-Werte aufwiesen als Nicht-Nutzer. Menschen mit ausgeprägtem Neurotizismus gelten als emotional labil und ängstlich. Da könnte man zunächst denken, dass gerade diejenigen, die sich für Berichte über Gewalt und Mord interessieren, eher niedrigere Neurotizismus-Werte haben müssten. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass ängstlichere Personen True Crime konsumieren, um sich besser auf solche Taten vorbereiten zu können und so ihr eigenes Sicherheitsgefühl zu stärken. Generell muss man jedoch sagen, dass die Persönlichkeit allein nicht als Erklärung für die Faszination für True Crime ausreicht. Die Erkenntnisse meiner Untersuchung deuten vielmehr darauf hin, dass es eine Kombination aus verschiedenen Faktoren ist: Der damit verbundene Nervenkitzel, persönliche Überzeugungen, das Bedürfnis nach Sicherheit, die Persönlichkeit sowie die Art und Weise, wie diese Geschichten medial dargestellt werden, spielen eine Rolle.

True Crime hat besonders das Format Podcast erobert. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Klüg: Neben der Popularität des Genres selbst, bieten Podcasts ein völlig anderes und vor allem flexibleres Nutzungserlebnis als andere Medien. Podcasts können durch ihr auditives Format von überall aus sowie auch nebenbei gehört werden, was im hektischen Alltag viel Zeit spart. Zudem werden in Podcasts häufig Erzählstrategien verwendet, die den Hörer direkt mit einbinden und das Gefühl einer persönlichen Verbindung zu den Erzählenden erzeugen. Im Gegensatz zu Filmen oder Serien sind True-Crime-Podcasts auch für Menschen geeignet, die sich zwar für die Nacherzählung von Kriminalfällen interessieren, sich aber nicht mit der Visualisierung von Verbrechen beschäftigen wollen. All diese Faktoren in Kombination mit der Faszination für Verbrechen machen den Podcast als True-Crime-Medium so beliebt.

Konsumieren eher Männer oder Frauen True-Crime-Formate?

Klüg: Die Erkenntnisse einer früheren Studie sowie auch die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchung deuten darauf hin, dass Frauen eher als Männer True Crime konsumieren, um die psychologischen Hintergründe der Taten zu verstehen und sich so besser vor potenziellen Tätern schützen zu können. Diese Erkenntnisse wiederum lassen darauf schließen, dass Frauen eine verstärkte Angst haben, selbst Opfer solcher Straftaten zu werden. Frauen sind beispielsweise Statistiken zufolge häufiger als Männer von Verbrechen wie häuslicher Gewalt und Vergewaltigung betroffen. Darüber hinaus sind Frauen aufgrund physischer Unterschiede oft gegenüber Männern im Nachteil, was ihre Angst vor Übergriffen zusätzlich verstärken kann. Auch traditionelle Rollenbilder könnten in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.

Die Art und Weise, wie einzelne True-Crime-Formate reale Verbrechen aufbereiten und dann präsentieren, ist nicht unumstritten und zunehmend in Kritik geraten.- Wie sehen Sie das?

Klüg: Manche True-Crime-Formate stehen zurecht aufgrund von unsensibler oder einseitiger Berichterstattung in der Kritik. Ich persönlich halte es für äußerst wichtig, besonders gegenüber Opfern und Angehörigen, auf eine respektvolle und vorurteilsfreie Wiedergabe der Fälle zu achten. Der Fokus sollte dabei meiner Meinung nach weniger auf der Unterhaltung liegen, sondern eher auf der Aufklärung über gesellschaftliche Probleme wie Gewalt, Hass und Ungerechtigkeit.

Gibt es ethische Vorbehalte gegenüber True Crime?

Klüg: Ja, neben den eben beschriebenen Kritikpunkten gibt es auch Vorbehalte gegenüber dem True-Crime-Genre im Allgemeinen. Da True Crime heutzutage ein sehr lukratives Genre ist, wird vor allem die Kommerzialisierung des Leids der Beteiligten kritisiert. Aber auch der Sensationalismus, der in vielen Medien sehr präsent ist und den Fokus meist weg von einem kritischen und reflektierten Umgang mit den Fällen lenkt, wird oft hinterfragt. Die meisten Kritikpunkte beziehen sich jedoch auf einzelne Formate und lassen sich nicht verallgemeinern.

Bietet True Crime den Tätern eine zu große Plattform?

Klüg: Ja, einzelne Medien berichten sehr einseitig, wobei der Fokus weniger auf den Opfern, sondern eher auf den Tätern liegt. Dies kommt insbesondere bei bestimmten Fällen vor, in denen der Täter durch hervorstechende Eigenschaften oder sein äußeres Erscheinungsbild auffällt. So gibt es sogar ganze Serien oder Filme über Serienmörder, deren dramatisches Leben analysiert wird – die zahlreichen Opfer erfahren dabei vergleichsweise wenig Beachtung. Solche Serien können bei Opfern und Angehörigen zu zusätzlichem Leid führen und sind deshalb zurecht zu hinterfragen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Formates? Wird es eine weitere Ausdifferenzierung geben oder ist True Crime bereits ein „sinkender Stern“.

Klüg: Die Faszination für Kriminalität wird voraussichtlich auch weiterhin bestehen bleiben. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass dieser regelrechte Trend, der in den letzten Jahren stark angestiegen ist, in Zukunft abflachen wird. Mittlerweile gibt es ein enorm großes Angebot an True-Crime-Formaten und wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, könnte auch das Interesse der Menschen abnehmen. Insbesondere Formate, die sich aktuellen Entwicklungen anpassen, werden aber auch weiterhin erfolgreich sein. Unter anderem nach dem Fall „George Floyd“ lag der Fokus zunehmend auf gesellschaftlichen Missständen wie Diskriminierung und Korruption. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich der Trend auch in Zukunft eher hin zu einer kritischen und sensibleren Perspektive und weg vom reinen Sensationalismus bewegen wird.

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