Warum unsere Gesellschaft eine gute Hebammenbetreuung braucht
Der diesjährige Weltgesundheitstag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) markierte Anfang April den Auftakt einer einjährigen Kampagne zur Stärkung der Gesundheit von (werdenden) Müttern und Neugeborenen. Bundesweit setzen sich seitdem Hebammen und Familien engagiert für die Kampagnenziele ein und machen auf die zentrale Bedeutung der gesundheitlichen Versorgung von Mutter und Kind sowie auf die Notwendigkeit einer verlässlichen Hebammenbetreuung aufmerksam.
Warum dieses berufs- und gesellschaftspolitische Engagement gerade in Deutschland dringend gebraucht wird, erläutert Prof. Dr. Cornelia Schwenger-Fink in einem Kommentar zum Tag der Hebammen am 5. Mai 2025. Sie ist Professorin für Hebammenwissenschaft an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) und lehrt dort im primärqualifizierenden, praxisintegrierten Studiengang „Hebammenwissenschaft (B.Sc.)“ sowie im berufsbegleitenden Programm für bereits altrechtlich qualifizierte Hebammen.
„Frauen zahlen den Preis. Familien zahlen den Preis. Wir alle zahlen den Preis.“ Mit diesen Worten bringt der Deutsche Hebammenverband (DHV e.V.) auf den Punkt, wie zentral Hebammenarbeit für unsere Gesellschaft ist. Gesundheit rund um Geburt und Familie ist nicht nur direkt für Betroffene wichtig – sie geht uns alle an. Denn wenn große Bevölkerungsgruppen gesundheitlich benachteiligt sind, spüren wir alle die Folgen: durch Personal- und Fachkräftemangel, hohe Krankenstände oder wachsende soziale Ungleichheit.
Hebammen begleiten den Beginn des Lebens – von der Familienplanung über Schwangerschaft und Geburt bis in die frühe Elternzeit. Ihre Fachexpertise sichert einen gesunden Start ins Leben und damit auch gesellschaftliche Stabilität. Hebammenarbeit ist systemrelevant – ihre verantwortungsvolle Ausübung und eine hohe Qualität in der Betreuung und Versorgung kann aber nur gelingen, wenn es angemessene Rahmenbedingungen gibt:
Jede Gebärende muss auf eine persönliche 1:1-Betreuung von einer Hebamme zählen können und darf zu keiner Zeit allein gelassen werden, weil zum Beispiel andere Gebärende zugleich betreut werden müssen. Zudem braucht es ein flächendeckendes, zugängliches Versorgungsnetz – unabhängig von Wohnort oder sozialem Status. Geburt ist ein Schlüsselmoment im Leben – sie verdient professionelle, respektvolle und gewaltfreie Begleitung.
Doch es fehlt an politischer und finanzieller Anerkennung. Die aktuellen Vergütungsverhandlungen und öffentlichen Debatten zeigen: Themen rund um Frauen- und Kindergesundheit, Geburtshilfe und Hebammenversorgung bekommen nicht den Stellenwert zugewiesen, den sie – den wir alle – so dringend benötigen.
Gemeinsam müssen wir daher alle an einem Strang ziehen und für die angemessene Finanzierung und Ausübung der Hebammenarbeit eintreten. Was es jetzt braucht, ist ein Aktionsplan der neuen Regierung: für bessere Arbeitsbedingungen, einen angemessenen Personalschlüssel für Hebammen, ÄrztInnen und Pflegepersonal, eine Lösung der Haftpflichtproblematik für freiberufliche Hebammen – und dafür, dass Frauen gehört werden. Ihre Erfahrungen müssen zur Qualitätsverbesserung beitragen, damit nicht länger rund 30 Prozent der Frauen ein Geburtstrauma erleiden müssen.
„Eine gesunde Gesellschaft – von Anfang an – kann den Herausforderungen einer modernen Welt kraftvoll und solidarisch begegnen.“
Prof. Dr. Cornelia Schwenger-Fink
Professorin für Hebammenwissenschaft an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM)
Aktuell werden Unterschriften zur Unterstützung der Zukunft der Hebammenversorgung und Familiengesundheit gesammelt: Hier geht es zur Petition.